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Sonntag, 14. September 2014

Urlaub im New Forest

... Und schon ist der Urlaub wieder vorbei. Eine Woche lang waren wir im wunderschönen New Forest im Süden Englands.


Dieses Gebiet ist seit 2005 ein Nationalpark - mit 570 km² der kleinste im Vereinigten Königreich. Der New Forest ist aber schon viel, viel älter: Um 1079 erklärte William the Conquerer (Wilhelm der Eroberer) diesen Teil Englands als Nova Foresta zum königlichen Jagdgebiet. Seitdem hat sich landschaftstechnisch nicht viel verändert, außer, dass jetzt fast 35.000 Menschen in den Dörfern mitten im New Forest leben. Der Name trügt aber, denn der New Forest besteht nicht nur aus Waldgebiet, sondern auch aus Heide und Weideland. 



Heute ist der New Forest ein beliebter Urlaubsort, in dem man wandern, reiten, Fahrrad fahren und Golf spielen kann. 

Die wohl berühmteste Besonderheit des New Forest sind die vielen Ponys, Esel, Kühe und Schweine, die frei herumstreifen (und überall Vorfahrt haben). Die Einwohner des New Forest erhielten als Commoners vom König besondere Rechte, die auch heute noch in Anspruch genommen werden. So haben Commoners das Recht, Ponys, Rinder, Esel (und früher auch Schafe) zu weiden, Holz zu sammeln, Farn als Einstreu zu schneiden, Torf zu stechen, Lehm abzubauen und zwischen September und November Schweine mit Eicheln und Bucheckern zu mästen (damit die anderen Tiere sie nicht wegfressen und sich dadurch den Magen verderben; Schweine sind da deutlich robuster). Leider waren die Schweine letzte Woche noch nicht draußen.


Die New Forest Ponies leben schon seit 2.000 Jahren im Wald. Sie haben ein Stockmaß bis 1,48 m und fast alle Farben im Programm. Heute streifen ca. 3.000 wild im Park umher. Sie sind zwar nicht zahm, aber auch keine Wildpferde, denn alle Tiere haben Besitzer (besagte Commoners), was man an den Brandzeichen und Schweiffrisuren erkennen kann. Im Sommer und Herbst werden die Ponys zusammengetrieben. Dabei wird ihr Gesundheitszustand kontrolliert und bestimmte Pferde werden aus der Herde herausgenommen (z. B. um sie zu verkaufen; New Forest Ponies sind beliebte Reitpferde). Den Rest des Jahres können sie aber ungestört durchs Land streifen und ihre Fohlen aufziehen, wobei die Hengste kontrolliert auf die Stuten losgelassen werden. Man sieht die Pferde wirklich überall; in den Dörfern, direkt an der Straße, mitten im Wald und in der Heide.


Bei dem Pony vorn sind das Brandzeichen an der Schulter und der verschnittene Schweif gut zu erkennen. Das hintere Pony ist übrigens kein echtes New Forest Pony, die kommen nämlich nicht als Schecken vor.

Ca. 100 Esel leben ebenfalls im New Forest, allerdings haben wir sie nur in den Dörfern gesehen, nicht draußen im Wald oder in der Heide. Sie mögen Hecken lieber (die haben sie, sehr zum Ärger mancher Einheimischer, auch zum Fressen gern). 




Um die 3.000 Kühe gibt im Park, auch wenn nicht alle so robust sind, um den Winter draußen zu verbringen.




William the Conquerer hat es Gott sei Dank nicht geschafft, alle Hirsche und Rehe zu schießen. Rehe, Rothirsche, Damhirsche und die eigentlich aus Japan stammenden Sikahirsche tummeln sich noch heute im New Forest, auch wenn wir bis auf Damhirsche keine in freier Natur entdecken konnten.



Unser New-Forest-Abenteuer begann in Ashurst, einem kleinen Ort am Rand des Nationalparks. Dorhin fahren Direktzüge von London (ca. 2 Stunden Fahrt) und ich fand eine kleine Pension, die uns über die Woche aufnahm. Da wir am Montagmorgen zu Hause gemütlich rumgebummelt hatten, waren wir erst am späten Nachmittag in Ashurst.

Unsere Pension im Mondschein
Unser Zimmer

Am Dienstag starteten wir mit einer eintägigen kommentierten Hop-on-hop-off-Busrundfahrt (14 £ pro Person; man kann sie auch für mehrere Tage buchen, was sich bei den lange Wartezeiten durchaus anbietet). Im Sommer werden drei Routen angeboten:


Zunächst sind wir von Ashurst in den nächstgrößeren Ort Lyndhurst gefahren, die "Hauptstadt" und Verwaltungssitz des New Forest. Dort haben wir uns ein bisschen umgeschaut. Wie alle Dörfer im New Forest ist auch Lyndhurst eine schnuckelige Kleinstadt mit hübschen Fachwerkhäusern und reetgedeckten Cottages. 

Innenstadt von Lyndhurst

Die Pfarrkirche von Lyndhurst. Auf ihrem Friedhof liegt Alice Liddell begraben, die Lewis Carroll zu Alice im Wunderland inspirierte.

Nach einer kleinen Dorfrunde sind wir auf die grüne Buslinie umgestiegen und damit an die Küste nach Lymington gefahren. Auch dort ist es sehr hübsch, doch weil die Busse nicht so oft und nicht so lange fuhren, sind wir gleich auf die blaue Linie umgestiegen.

Lymington

Mit der blauen Linie ging es ein Stück an der Küste entlang nach New Milton und Burley. In Burley lebte in den 1950er-Jahren eine berühmte Hexe, so dass der Ort noch heute viel Bohei daraus macht.

Burley mit seinen Hexenläden
und noch ein Hexenladen

Nach einer Rundreise landeten wir wieder in Lymington, wo wir notgedrungen wieder eine längere Pause am Hafen machten und in der Sonne den Enten und Schwänen zuschauten.

Hafen von Lymington

Leider zeichnete sich nun ab, dass wir die rote Linie nicht auch noch schaffen würden, da es schon Nachmittag war und die Busse einfach nicht so lange fuhren. Stattdessen sprangen wir wieder auf die grüne Buslinie in Richtung Beaulieu auf. Mitten in der Wildnis ließen wir uns dann vom Busfahrer aussetzen und liefen querfeldein ca. eine Dreiviertelstunde zurück nach Ashurst. So konnten wir uns noch ein wenig die Beine vertreten und ich konnte Tiere gucken!





Nach einem Pubdinner in Ashurst war der Dienstag vorbei. Für den Mittwoch haben wir uns etwas ganz Besonderes vorgenommen. Im New Forest kann man nämlich Elektroautos ausleihen und damit herumfahren. Gesagt getan. Mit dem Zug fuhren wir früh nach Brockenhurst, der bevölkerungsreichsten Stadt des New Forest, wo gleich am Bahnhof ein großer Fahrrad- und Elektroautoverleih ist. Die Anmietung kostet 49 £ für einen Tag und 29 £ für einen halben; mit einer Besucherkarte bekamen wir noch 15 % Rabatt.


Der Renault Twizy hat 17 PS, schafft 80 km/h und kommt mit einer Ladung ca. 80 Kilometer weit. In den meisten Orten gibt es Pubs und Cafés mit Ladestation, an denen man kostenlos aufladen darf. Es ist ein herkömmlicher Steckdosenstecker und für eine vollständige Aufladung braucht er ca. 3,5 Stunden.
Das Pony fand den Twizy auch sehr spannend.
Der Twizy lädt in Burley, während wir auf Scones und Cola nebenan im Café einkehrten.

Die Esel von Beaulieu fanden das Auto auch sehr spannend.
Und an den Spiegeln kann man sich so toll kratzen!

Wie man sieht, ist der Twizy ein Zweisitzer. Nicht sehr komfortabel, aber eine tolle und umweltschonende Möglichkeit, sich die Gegend anzuschauen. Da der Twizy an den Seiten offen ist, zog es auf dem Rücksitz wie Hechtsuppe und ich hatte zwei Tage lang Halsschmerzen. Dafür konnten wir an jeder Ecke anhalten (Tiere gucken!) und ganz flexibel durch die Gegend gurken. Wir hatten den Twizy 1 1/2 Tage und haben noch mal einige Orte abgeklappert, durch die wir schon mit dem Bus gefahren waren. Zwischendurch haben wir immer mal auf einem Parkplatz gehalten (die sind im ganzen Park verteilt) und sind von dort aus ein Stück gelaufen.





Ponys haben Vorfahrt! Wenn sie auf der Straße rumstehen, muss man eben so lange warten, bis sie sich runterbequemen.
Leider waren sie so scheu, dass sie gleich weggetrabt sind, als wir einen Waldspaziergang machten.

Auch an der Küste sind wir gewesen und saßen ein Weilchen am Meer (mit Blick auf die Isle of Wight). Auf dem Rückweg sind wir plötzlich auf eine große Fasanenfamilie gestoßen.



Anschließend ging es nach Beaulieu (eigentlich französisch bo-li-ö, "schöner Ort", wird aber englisch bju-lie ausgesprochen), der zwar einige Esel und eine Kirche zu bieten hat, aber aufgrund seiner Pub-losigkeit unsere Abend(essen)pläne zunichte machte.




Da wir den Twizy auch über Nacht hatten, konnten wir uns den Sonnenuntergang am Hachet Pond angucken, was während der Busfahrt empfohlen wurde. Während die Sonne langsam hinter dem Horizont versank, sind wir einmal um diesen See bei Beaulieu herumgelaufen.






Am Donnerstag hatten wir den Twizy nur noch bis 12:30 Uhr und sind deswegen ein bisschen rund um Brockenhurst rumgefahren, wo wir ihn wieder abgeben mussten. In Brockenhurst selbst gibt es auch einige Esel, die sich sogar bereitwillig streicheln ließen.


Ein anscheinend sehr beliebter Kratzast


Brockenhurst
"Guten Tag, der Herr!"
Nach der Rückgabe des Twizys musste ich mich erst mal mit einer heißen Schokolade aufwärmen.

Damit sich die Mitnahme der Wanderstiefel auch lohnt, beschlossen wir, am Nachmittag von Brockenhurst zurück nach Ashurst zu laufen. In diesen zweieinhalb Stunden präsentierte sich der New Forest noch mal in seiner schönsten Pracht mit Heideland und Wald, die einem Bilderbuch entsprungen schienen.











Wir waren zwar am späten Nachmittag schon wieder in Ashurst, aber irgendwie so kaputt, dass wir nur noch Filme im Bett geguckt haben – aber das muss ja auch mal sein im Urlaub!

Am Freitag mussten wir unser Zimmer schon am Vormittag räumen, konnten aber unser Gepäck noch in der Pension lassen. Dann ging es zu Fuß in den New Forest Wildlife Park, der gleich hinter Ashurst liegt. Schließlich kann man nie genug Tiere sehen! Dazu folgt später noch ein kurzer Extrabericht.

Zurück in London empfing uns gleich wieder der überaus deprimierende Großstadtmoloch.

Menschenzoo in der London Waterloo Station

Alles in allem war der Urlaub sehr, sehr schön und natürlich viel zu kurz. Der New Forest wurde mir von vielen Seiten empfohlen und hat wahrlich nicht enttäuscht. Die tolle weite Heidelandschaft, die verwunschenen Wälder und zwischendrin schnuckelige Dörflis und Tiere, das ist genau mein Ding. Und dann nicht mal zwei Stunden von London weg; das war bestimmt nicht der letzte Besuch!

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