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Samstag, 12. Juli 2014

Hampton Court

Am letzten Junisamstag haben wir – bei bestem britischen Allerleiwetter (Sonnenschein meets Wolkenbruch) – einen Ausflug nach Hampton Court unternommen. Der Hampton Court Palace liegt in Kingston upon Thames ganz am Südrand von London und ist ein bedeutender Palast und ehemalige Königsresidenz. Etliche wichtige Persönlichkeiten des britischen Königshauses kamen hier zur Welt, wohnten hier, heirateten hier und starben hier.

Hampton Court (rot), Himmel + Themse (grau)
Haupteingang

Der direkt an der Themse gelegene Hampton Court ist eigentlich zwei Schlösser in einem, ein Tudor-Schloss und ein Barockschloss. Dazu kommen eine riesige Parkanlage mit Labyrinth und Besonderheiten wie eine Großküche aus der Tudor-Zeit.

vorne Tudor, hinten Barock
Hauptfassade des Tudor-Schlosses
Rückseite des Barockschlosses

Hampton Court ist riesig groß und der Eintritt kostet nicht zu knapp (zurzeit online für das Gesamtpaket 17,05 £ p. P.), aber ein Besuch lohnt sich unbedingt. Die Paläste sind wunderbar aufbereitet und gepflegt und im Preis inbegriffen ist ein Audioguide, der mit verschiedenen Touren durch die Anlage führt. Die Führung verläuft chronologisch, das heißt, man fängt im Tudor-Schloss an.

Links im Bild: eine der königlichen Kutschen ...
Extravagant sind auch die Exponate

Doch selbst dafür muss man etwas ausholen. Hampton Court begann Mitte des 13. Jahrhunderts wahrscheinlich ganz bescheiden als Scheune des Malteserordens, wurde wegen seiner praktischen Lage in der Mitte zweier königlicher Paläste auch immer mal als Besucherquartier genutzt und verschwand dann später wieder in der Versenkung. 1494 pachtete ein Höfling den Landsitz und wurde aufgrund der Nähe zu London des Öfteren von der königlichen Familie (Heinrich VII.) besucht. Da er nur wenige Jahre später starb, hinterließ er keine Spuren.

Das übernahm dafür der nächste Pächter ab 1514 mit umso mehr Eifer: Thomas Wolsey, seines Zeichens Lord Chancellor of England, ehrgeiziger Kardinal und Erzbischof von York und nicht zu vergessen – engster Berater von Heinrich VIII.

Darf's ein bisschen mehr Prunk sein?
Selbst die 241 Schornsteine sind extravagant
Torbogen in einem der Innenhöfe

Wolsey machte aus dem kleinen unbedeutenden Landgut einen luxuriösen Bischofspalast, der selbst den Königsresidenzen Konkurrenz machte. Und weil er so dicke mit dem König war, ließ er gleich noch drei Apartments für die königliche Familie einbauen (neben seinen extravaganten Privaträumen, einer großen Kapelle und einem riesigen Anbau mit 40 En-suite-Gästequartieren). Doch Hochmut kommt vor dem Fall und dieser Fall war sehr tief. Wolsey verspielte die Gunst des Königs, als er die Scheidung Heinrichs VIII. von seiner Königin Katherine beim Papst nicht durchsetzen konnte.

Heinrich (Henry) VIII.

Moment. Heinrich VIII.? Das war doch der mit den vielen Frauen! (Wir erinnern uns: geschieden – enthauptet – gestorben – geschieden – enthauptet – überlebt) Richtig, sechsmal hat er geheiratet.

Weil ihm seine erste Frau Katherine of Aragon keinen Sohn gebar (Tochter Mary folgte ihrem Vater später kurz auf den Thron), forderte er eine Annullierung der Ehe – undenkbar in Rom! Als Begründung musste die Tatsache herhalten, dass Katherine vor ihm schon mit seinem älteren Bruder und Kronprinzen Arthur verheiratet war, und es die Bibel verbot, die Witwe des eigenen Bruders zu heiraten. Arthur starb nämlich schon wenige Monate (und ohne Krone) nach der Hochzeit, was Heinrich ganz unverhofft zum nächsten Thronfolger machte. Dass er sich nach 20 Jahren Ehe auch in Anne Boleyn verliebte und diese sich weigerte, nur Königsmätresse zu sein, hatte bestimmt nur einen geringen Einfluss ...

Zeitstrahl auf einem Fenstersims

Also: Scheidung von Katherine, Hochzeit mit Anne, Geburt der Tochter (später Elisabeth I.) und wieder kein Sohn. Anne fällt in Ungnade, betrügt angeblich den König und verliert deswegen ganz sprichwörtlich den Kopf. Heinrich heiratet Jane Seymour, sie schenkt ihm den erhofften Sohn, stirbt aber noch im Kindbett. Heinrich heiratet also Anne von Kleve, die ist aber gar nicht so hübsch, wie ihm erzählt wurde, und er lässt sich wieder scheiden. Nummer fünf, Catherine Howard, überlebt die Ehe nicht lange und wird wegen Ehebruchs enthauptet. Seine letzten Lebensjahre verbringt Heinrich VIII. mit seiner sechsten Gattin Catherine Parr, die ihn – wenn auch nicht lange – überlebt.

Heinrich VIII. und eine seiner Frauen mischen sich unters Fußvolk

Aber zurück zu Hampton Court! Wir erinnern uns, Thomas Wolsey, Erzbischof von York und engster Berater Heinrichs, sollte die Annullierung der königlichen Ehe beim Papst durchsetzen und scheiterte, was Seiner Hoheit gar nicht gefiel. Wolsey schenkte Heinrich aus Verzweiflung sogar Hampton Court (der damit schon lange liebäugelte), aber auch das konnte seinen Untergang nicht mehr aufhalten und er war dann bald weg vom Fenster.

Heinrich dagegen revolutionierte mit dieser Episode so ganz nebenbei die englische Kirche. Denn als der Papst ihm seinen Scheidungswunsch nicht erfüllte, sagte er sich einfach von Rom los und gründete die Anglikanische Kirche mit dem König als „höchstes Oberhaupt der Kirche von England auf Erden“. Problem gelöst.

Base Court (einer der Innenhöfe) mit dem Nachbau eines Springbrunnens,
der zu Heinrichs Zeiten Wein spendete
Base Court

Für den Palast ging es jetzt erst so richtig los, denn Heinrich war leidenschaftlicher Häuslebauer, der neben Hampton Court noch viele weitere Residenzen (um-)bauen ließ. Von seinen 60 Häusern war ihm Hampton Court jedoch das liebste. Nachdem das Schloss um 1540 endlich fertig war, war es eines der modernsten, elegantesten und prachtvollsten in ganz England. Das Gelände umfasste Tennisplätze, Bowlingbahnen, Lustgärten, ein riesiges Jagdgebiet, Großküchen, eine pompöse Kapelle, einen imposanten Speisesaal und ein großes Toilettenhaus (das „Große Haus der Erleichterung“), in dem 28 Personen gleichzeitig austreten konnten. Sogar fließendes Wasser gab es und in fast jedem Zimmer einen Kamin, was ein noch nie da gewesener Luxus war.

Fountain Court (einer der Innenhöfe)
Chapel Court Garden in einem der Innenhöfe,
angelegt mit Blumen und Kräutern, die auch im 16. Jh.
in England wuchsen

Da Hampton Court Palace so groß ist und ihr beim Lesen keine Sehnenscheidentzündung kriegen sollt, folgen die Schlossbereiche einzeln.


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