LDN

Samstag, 19. Juli 2014

The View from the Shard

The Shard von einem Gleis im Bahnhof London Bridge
An meinem Geburtstag haben wir freigenommen und weil man das unter der Woche nicht oft hat und das Wetter so herrlich war, haben wir uns mal auf das höchste Gebäude Westeuropas gewagt. The Shard ("Glasscherbe") dominiert die Londoner Skyline seitdem wir hier wohnen und auch bei früheren Besuchen sah man ihn in den Himmel wachsen. Die Bauarbeiten begannen Anfang 2009, die offizielle Eröffnung mit Feuerwerk wurde am 5. Juli 2012 gefeiert. Der Wolkenkratzer steht direkt neben dem großen Bahnhof London Bridge, nicht weit vom Südufer der Themse entfernt.

Die Glaspyramide (11.000 Scheiben sind zu putzen!) ist insgesamt 306 Meter hoch und hat 72 Stockwerke. Neben der Aussichtsplattform in den Etagen 68-72 gibt es noch Luxuswohnungen, ein 5-Sterne-Hotel (hat dieses Jahr eröffnet), Restaurants und Büros im Gebäude.

Der Eintritt kostet schlappe 25 £ pro Person, dafür machen sie aber auch ein Gewese draus. Ätherische Musik, ein Haufen Personal (Fahrstühle sind ja so innovativ, da weiß der Großteil der Menschheit natürlich nicht, wie so was funktioniert) und das ganze Touriprogramm: Fotos machen, Souvenirladen etc. Wegen mir können sie es gerne einen Zehner billiger machen und dafür nicht so tun, als wäre es eine vergoldete Aussichtsplattform. Aber wie dem auch sei, der Ausblick ist natürlich klasse!
Mit zwei Fahrstühlen (natürlich mit aufregenden Animationen) fährt man erst in die 30. und dann in die 68. Etage.
Borough Market und die Southwark Cathedral
London Eye dort hinten
Keine Eisenbahnplatte, sondern der Bahnhof London Bridge
Tower of London und Tower Bridge
Museumsschiff HMS Belfast und die Wolkenkratzer rund um die Liverpool Street; daneben am Themseufer der Tower of London
Solche Digitalteleskope stehen überall. Leider funktionierten die meisten nur sehr ruckelig und nach zwei Minuten setzt sich die Ansicht wieder zurück und man muss von vorne alles eingeben, grmpf! Ansonsten sind sie aber echt klasse, man kann näher reinzoomen und verschiedene Ansichten wählen (nachts, Sonnenaufgang, Sonnenuntergang und wie es vor ein paar hundert Jahren aussah).
Da in dem großen Gebäude arbeite ich!!
Da ist unser Haus! Das braun-weiße Gebäude links neben dem grau-blauen Wohnturm
So sieht es auf den Aussichtsplattformen aus; eine Bar gibt es auch, die Champagner für einen Zehner ausschenkt. Lächerlich.
Gott sei Dank war es einigermaßen leer. Ich will nicht wissen, was am Wochenende hier los ist.
Die Aussichtsplattformen liegen auf zwei Etagen, die man über eine kurze Treppe erreicht. Ganz oben ist es sogar z. T. offen, aber es ist so verbaut, dass man vom Wetter kaum etwas mitbekommt.

Freitag, 18. Juli 2014

Hampton Court, Gardens

Willkommen beim letzten Bericht von Hampton Court, gleich habt ihr es geschafft. Die Gebäude haben wir abgehandelt, jetzt fehlt nur noch der große Park drumherum. Das Parkgelände umfasst mehrere Gärten und ein Labyrinth, das leider schon geschlossen hatte, als wir dort waren.

Karte der Gartenanlagen
Vermutlich ließ schon Kardinal Wolsey einen Garten anlegen, im großen Stil entstand er aber erst im 17. Jahrhundert nach französischem Vorbild. Heute umfasst das Parkgelände 24 ha und ist grob in drei große Bereiche aufgeteilt.


  • The Great Fountain Garden
Dieser halbkreisförmige Bereich wurde von William III. angelegt und umfasste ursprünglich dreizehn Springbrunnen. Nur vier davon sind noch erhalten. Königin Anne ließ dazu die Eiben anpflanzen, auch wenn Ihre Majestät eigentlich kleinere und gestutztere Exemplare im Kopf hatte.









  • The Privy Garden
Schon Henry VIII. hatte ab 1533 einen königlichen Privatgarten, aber erst William III. ließ ihn ganz im Sinne des Barock anlegen. Der heutige Garten wurde dem Zustand um 1702 nachempfunden, da aus der Zeit viele Aufzeichnungen erhalten sind. Die symmetrische Anlage umfasst zahlreiche Pflanzenarten und Marmorstatuen. Außerdem steht hier der größte Weinstock der Welt.





'The Great Vine' - Wurde 1769 angepflanzt und ist heute der größte
Weinstock der Welt. Seine längsten Zweige sind 36,5 Meter lang.
Die geernteten Weintrauben werden Anfang September verkauft.


  • The Wilderness
In der Tudor-Zeit gab es hier einen großen Obstgarten und einen Turnierplatz. Ab 1690 wurde das Gelände unter William III. als "Wilderness", also Wildnis, umfunktioniert. Die Höflinge sollten hier auf den verschlungenen Pfaden und zwischen geometrischen Hecken flanieren können. Quasi ein wildes Abenteuer im Hinterhof. The Wilderness umfasst außerdem einen Irrgarten mit einer Wegeslänge von ca. 800 Metern, der aber leider schon geschlossen war, als wir dort waren. "The Wilderness" besteht heute aus ursprünglichen (= ungemähten) Wiesen und Bäumen. Das ist ordentlicher Kontrast zu den anderen fein manikürten Gärten, aber trotzdem schön, weil es einfach üppig und natürlich wuchert. Von dem Garten habe ich leider kein Foto, dafür aber eins von dem kleinen Rosengarten daneben:


Sonntag, 13. Juli 2014

Hampton Court, Georgian Court

Königin Anne (regierte 1702 bis zu ihrem Tod 1714) ging zwar gerne jagen in Hampton Court und nutzte die neuen Königsgemächer, sie wohnte aber lieber in Windsor Castle oder Kensington Palace, so dass die restlichen geplanten Baumaßnahmen nur schleppend verliefen.

Nach ihrem Tod ohne Erben begann die Dynastie der deutschen Hannoveraner. George (Georg) I. war entfernt mit dem englischen Königshaus verwandt und außerdem protestantisch, was ihn wohl am meisten für die Krone qualifizierte. George sprach kaum Englisch, reiste oft in die Heimat zurück und brachte auch seine Königin niemals auf die Insel (die fand er eh nicht so doll und vergnügte sich lieber mit seiner Mätresse, die dafür mit nach England übersiedelte).

George war eher schüchtern und kein Mann großer Zeremonien, entsprechend stiefmütterlich ging er mit seinen Palästen um. Umso mehr Gefallen fanden sein Sohn (der spätere George II.) und dessen Gattin an Hampton Court. Nachdem die beiden 1727 den Thron bestiegen, blühte Hampton Court noch mal so richtig auf. Ansonsten war die Hannoveranerdynastie vor allem durch verbitterte Familienstreitigkeiten geprägt.

Die beiden Georges waren die letzten Monarchen, die in Hampton Court residierten. 1737 zogen Königs endgültig aus Hampton Court aus und das Schloss wurde nur noch Besuchern und Ehrengästen zur Verfügung gestellt ("Grace and Favour"), z. T. als Art adeliges Seniorenheim.

Für die georgianischen Wohnräume gab es statt Audioguide
 eine 'Smell Map' zum Rubbeln und Riechen.
Die deutschen Herrscher brachten exklusiven Serviettenschmuck
mit auf die Insel.
Daher ebenfalls aus Servietten: Kostüme, die die königlichen
Herrschaften darstellten (bzw. Georg und seine Mätressen)
Spielzimmer
 


Badezimmer der Königin

Hampton Court, William III's Apartments

Heinrich VIII. starb 1547, Hampton Court Palace jedoch lebte weiter. Alle drei Tudor-Erben verbrachten einige Zeit im Palast, bauten jedoch nichts oder nur wenig um. Erst kam Heinrichs Sohn Edward (Eduard) VI., der von 1547 als Neunjähriger bis zu seinem frühen Tod 1553 regierte. Ihm folgte seine älteste Halbschwester "Bloody" Mary (Maria) I. bis zu ihrem Tod 1558. Als letzter und vielleicht berühmtester Tudor-Zögling folgte wiederum ihre jüngere Halbschwester Elizabeth (Elisabeth) I., die England bis 1603 führte.

Als Elisabeth kinderlos starb, starb mit ihr auch die Tudor-Linie. Es folgte der schottische König James (Jakob) VII., der als James I. auch König von England und Irland wurde. Er begründete die Stuart-Dynastie, denn seine Mutter war die berühmte schottische Königin Mary (Maria) Stuart. Auch er nutzte die Residenz oft und brachte ein lebendiges und prunkvolles Hofleben mit, während es Elisabeth eher minimalistisch mochte. James baute nichts an Hampton Court, ließ aber Reparaturarbeiten durchführen.

Der zweite Stuart-König, Charles (Karl) I. hatte regierungstechnisch kein gutes Händchen und wurde während des englischen Bürgerkrieges vom Parlament abgesetzt und 1647 in Hampton Court unter Hausarrest gestellt. Er konnte nach drei Monaten fliehen, wurde aber 1649 hingerichtet.

Hampton Court fiel in die Hände des Parlaments, das die Reichtümer des Palastes verkaufte. Vom Puritanismus befeuert musste u. a. die prunkvolle Kapelle Federn lassen. Als England 1649 zur Republik ausgerufen wurde, übernahm Oliver Cromwell bis zu seinem Tod 1658 die Rolle des Lordprotektors. Er verbrachte viele Wochenenden in Hampton Court.

1660 wurde die Monarchie wieder hergestellt und Karls Sohn bestieg als Charles (Karl) II. und dritter Stuart den Thron. Er hielt sich lieber in Windsor Castle auf, kam aber ab und zu für Debatten nach Hampton Court und ließ einige Apartments für seine Mätresse und die gemeinsamen Kinder anbauen. Die neuen Gemächer unterschieden sich schon deutlich von den Tudor-Gemächern und leitete ein neues Zeitalter in Hampton Court ein.

Es folgte 1685 kurz James (Jakob) II. (bzw. VIII. von Schottland), dieser wurde aber 1688 schon wieder während der Glorious Revolution abesetzt. Es folgte dessen Tochter Mary (Maria) und ihr Gatte William of Orange (Wilhelm von Oranien), seines Zeichens der III.

So, jetzt ist erst mal Schluss mit der langweiligen Monarchenkunde, denn William und Mary haben ordentlich Hand angelegt an Hampton Court. Dazu beauftragten sie den großen Architekten Christopher Wren, der u. a. St Paul's Cathedral und viele andere große Bauwerke in London entwarf.

Ursprünglich sah Wren vor, das Tudor-Schloss abzureißen, da das Geld und die Zeit dafür aber nicht ausreichte, entschied man sich für einen Anbau, der 1689 begann. Weil alles so schnell gehen musste, stürzte ein Teil der Bauarbeiten ein und zwei Arbeiter kamen ums Leben. Danach ließ man etwas mehr Vorsicht walten.

Ende 1694 starb Mary überraschend. William war am Boden zerstört und die Bauarbeiten, jetzt im Rohbau, ruhten drei Jahre lang. Aufgrund seiner Kriegszüge hatte William weder Geld noch Nerven, doch als 1698 ein anderer Palast niederbrannte, raffte er sich noch mal auf und ließ Hampton Court fertigstellen. Dazu erteilte er Wrens Stellvertreter den Auftrag, der die königlichen Gemächer sogar günstiger fertigstellte als ursprünglich veranschlagt (wann hat man das das letzte Mal erlebt?).

Das Ergebnis waren völlig neue Wohnräume, die die östlich und südlich gelegenen Tudor-Türme mit elegantem Barock ersetzten. Draußen gab es jetzt angelegte Gärten mit neuen Pflanzen (u. a. mit Marys Sammlung exotischer Pflanzen aus der ganzen Welt), drinnen dominierten luxuriöse Kamine, Zierelemente und kostbare Wandbilder.

Leider blieb William keine Zeit mehr, seinen neuen Palast zu genießen, denn er fiel 1702 im Garten von Hampton Court vom Pferd und erlag kurze Zeit später seinen Verletzungen. Da die Ehe von William und Mary kinderlos bliebt, folgte als letzte Stuart-Königin Marys Schwester Anne auf den Thron.

Dieses prunkvolle Treppenhaus führt zu
Williams Gemächern. 
Der erste Raum ist die Wachstube, deren Wände mit zahlreichen
Waffen geschmückt sind. Diese waren jederzeit einsatzbereit.
Detail der Wachstube



Na, wonach sieht das aus? Richtig, eine Toilette.
 


Samstag, 12. Juli 2014

Hampton Court, Henry VIII's Kitchens

Eingang zur Tudor-Küche
Eine Besonderheit des Schlosses sind die gut erhaltenen Küchen, in denen Heinrich VIII. seinen Hof und seine Gäste bekochen ließ. Wenn Heinrich Hof in Hampton Court hielt (was im Jahr immer nur wenige Wochen am Stück möglich war, weil es die Plünderung sämtlicher Vorräte mit sich brachte), mussten mindestens 600 Personen zweimal am Tag bekocht werden. Und dabei ließ sich der Monarch nicht lumpen, vor allem nicht, wenn wichtige Persönlichkeiten mitaßen. Dann wurde aufgetafelt, was das Zeug hielt. Und das war nicht zu wenig: Der Tudor-Hof unter Elisabeth I. verschlang im Jahr alleine an Fleisch 1.240 Ochsen, 8.200 Schafe, 2.330 Hirsche, 1.870 Schweine, 760 Kälber, 53 Wildschweine und trank dazu 2.727.655 Liter Bier.

Als Heinrich VIII. 1529 den Palast von Wolsey übernahm, zog auch mehr Personal ein. Heinrichs Hof umfasste um die 1.200 Personen, so dass eine der ersten Baumaßnahmen war, die vorhandenen Küchen zu vervierfachen. Insgesamt 55 Räume hatte die Großküche (ein Teil davon wurde später zu Wohnräumen umgebaut und steht nicht mehr). Eine 200 Mann starke Armee an Küchenchefs und Helfern hatte gut zu tun, denn moderne Annehmlichkeiten wie in heutigen (Groß-)Küchen gab es natürlich nicht.

Heute ist die Küche so hergerichtet, wie sie zur damaligen Zeit aussah. Essen lassen sich die Requisiten natürlich nicht, aber das ist nicht immer so: Die Küchen werden regelmäßig genutzt und die Tudor-Küche vor Publikum nachgekocht. Wer wissen möchte, wie das aussieht, kann sich hier Videos davon anschauen.


Ein etwas größerer Suppentopf

Der "Tudor-Kühlschrank"; in die enge Gasse
dringt kaum Sonnenlicht vor, so dass es in
den Vorratskammern immer schön kühl ist.
Warum es immer so viel Pastete gab? Weil man darin schön viele
Zutaten verkochen kann und weil der Teig gleichzeitig als
Einweg-Teller dient. Wer will schon 1.200 x Geschirr abwaschen?

Der Hygiene wegen sind die Tonwaren
glasiert.



Hier brutzelten die Fleischspieße, von den sechs Kaminen ist
jedoch nur noch einer übrig. Das war richtig harte Arbeit und
zeugte von Reichtum. Anders als "Fast Food" wie Pasteten musste
das Fleisch stundenlang von Hand gedreht werden, die Zubereitung
war in Sachen Arbeitsstunden also ziemlich verschwenderisch.
Das gemeine Volk aß sein Fleisch eher gekocht, das dauerte nicht
so lange, brauchte nicht so viel Aufsicht und verbrauchte auch
weniger Energie. Wenn es denn überhaupt Fleisch gab, das
konnten sich sowieso nur Reiche leisten.


Hier behielt man den Überblick über Vorräte und Zutaten.
Bei der Größe war Buchhaltung und Planung das A und O.
Hier wurden das kostbare Geschirr aufbewahrt.
In diesem Bereich wuselte es früher vor Trägern, die das Essen und
Trinken hier aufluden und damit nach oben in die Great Hall eilten.
Dieser Weg konnte in ca. 30 Sekunden zurückgelegt werden, so
dass die Herrschaften beim Bankett warm essen konnten.
Das königliche Essen wurde in einer separaten
Kammer zubereitet, um Giftattentate zu verhindern
und damit die extravaganten Speisen nicht
zu Schaden kamen.
(U. a.) einen Weinkeller gab es natürlich auch.